Neuroleptika: Fluch oder Segen

Februar 18, 2021 Aus Von Jürgen Pfaff

Der französische Militärarzt und Chirurg Henri Marie Laborit entdeckte als erster die psychotrope Wirkung von Chlorpromazin und ebnete damit den Weg für die Einführung der Neuroleptika.

Der erste Wirkstoff, der als antipsychotisch wirksames Medikament vermarktet wurde, ist das Chlorpromazin. Es wurde im Jahr 1950 erstmals in Frankreich bei Forschungen zu antihistaminisch wirksamen Substanzen vom Chemiker Paul Charpentier bei der Firma Rhône-Poulenc synthetisiert. Seine antipsychotische Wirkung wurde zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht erkannt. Im Jahre 1952 erprobte der französische Chirurg Henri Marie Laborit auf der Suche nach einem wirksamen Anästhetikum mehrere Antihistaminika. Er bemerkte, dass diese Stoffe eine sedierende und angstlösende Wirkung zu haben schienen, allen voran das Chlorpromazin.

Zwischen April 1951 und März 1952 wurden 4000 Proben an über 100 Forscher in 9 Länder verschickt. Am 13. Oktober 1951 erschien der erste Artikel, in dem Chlorpromazin öffentlich erwähnt wurde. Laborit berichtete über seine Erfolge mit der neuen Substanz bei der Anästhesie. Die beiden französischen Psychiater Jean Delay und Pierre Deniker gaben am 26. Mai 1952 bekannt, dass sie eine beruhigende Wirkung bei Patienten mit Manie gesehen hätten. Während Chlorpromazin am Anfang noch gegen viele verschiedene Störungen eingesetzt wurde, zeigte sich später als wichtigste Indikation eine spezifische Wirkung gegen psychomotorische Unruhe, vor allem bei der Schizophrenie.

Ab 1953 wurde das Chlorpromazin als Megaphen (Deutschland 1. Juli 1953) oder Largactil in Europa vermarktet, 1955 kam es in den USA unter dem Namen Thorazine auf den Markt. Die heute gebräuchliche Bezeichnung „Neuroleptikum“ wurde 1955 von Delay und Deniker eingeführt. Sie hatten beobachtet das Reserpin und Chlorpromazin sehr ähnliche extrapyramidale Nebenwirkungen haben. Das neue Medikament wurde in den USA als „chemische Lobotomie“ beworben. Die Lobotomie war zu dieser Zeit eine verbreitete Gehirnoperationsmethode zur Behandlung einer Reihe von psychischen Krankheiten und Verhaltensstörungen. Die Verwendung von Chlorpromazin versprach eine vergleichbare Wirkung mit dem Vorteil, dass eine rein medikamentöse Behandlung nicht-invasiv und reversibel ist.

Die neurophysiologische Wirkung des Chlorpromazin wurde erforscht, davon ausgehend wurden zahlreiche weitere antipsychotisch wirksame Stoffe entdeckt. Die Forschungen führten 1957 zur zufälligen Entdeckung der modernen Antidepressiva sowie weiteren Wirkstoffen wie Anxiolytika.

wikipedia 2020